Reproduktion des Kapitals als Verfassungsproblem
Die Unternehmensmitbestimmung in der grundrechtlichen Sicht des Bundesverfassungsgerichts: politischer Konsens und ökonomische Stabilität als „Funktionsbedingung" ihrer Verfassungsmäßigkeit
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v10i38.1606Keywords:
Bundesverfassungsgericht, Konsens, Ökonomie, Verfassung, Kapital, ReproduktionAbstract
Das Bundesverfassungsgericht und die meisten Kommentare gehen von einem Grundkonsens über die erweiterte Unternehmensmitbestimmung aus, sei es in der Rede von dem „Gedanken" der Mitbestimmung, der in Deutschland schrittweise ,,rechtliche Gestalt gewonnen" habe, sei es im Verweis darauf, daß alle gesellschaftlichen Gruppen die Erweiterung der Mitbestimmung „im Prinzip" bejahen würden (S. 7 /9 des Urteilstextes vom 1. 3. 1979). Bezieht sich diese Konsensannahme auf die parlamentarische Mehrheit bei der Verabschiedung eines schon zurechtgestutzten Gesetzes, so wird die Anwendung des Gesetzes und seine Folgewirkung suspecie Verfassungsmäßigkeit an die Erhaltung des Konsenses gebunden. Doch diese harmonisierende Tendenz kaschiert nur oberflächlich die tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Differenzen, durch die das politische Klima seit Mitte der 7 Oer Jahre geprägt zu werden beginnt. Die Konsensannahme kaschiert zudem, daß sich das Gericht nur vorläufig für die sozial-liberale Linie bundesrepublikanischer Politik entschieden hat. Differenzen und politische Entscheidung des Gerichts lassen sich an den - in Klagebegründung und Gegenstellungnahmen formulierten - Unterschieden in der Einschätzung der Mitbestimmung selbst festmachen, sie gehen aber tiefer und betreffen vor allem unterschiedliche Diagnosen über die Stabilität des status quo (1).