Geschichte und Marxismus - Zur Kontroverse zwischen E.P. Thompson und P. Anderson
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v11i43.1556Schlagworte:
Geschichte, Marxismus, Thompson, AndersonAbstract
Die Kontroverse zwischen Ed ward P. Thompson und Perry Anderson ist im Kern eine Auseinandersetzung um das Politikverständnis der Neuen Linken in England. Sie ist zugleich eine Auseinandersetzung über die Grundlagen des historischen Materialismus und über die Methode einer marxistischen Geschichtsschreibung. Sie ist eine Auseinandersetzung über den Zusammenhang von Geschichte, marxistischer Theorie und sozialistischer Praxis. Sie ist politisch geprägt durch eine doppelte Frontstellung gegen orthodoxen Kummunismus und reformkapitalitischen Sozialdemokratismus. Sie ist theoretisch durch die Gramscische Kritik am orthodoxen Ökonomismus gegangen, und sie ist in guter englischer Tradition empirisch-historisch orientiert. Ist sie deshalb nur ein spezifisch englisches Gefecht? Sind es nur »Arguments Within English Marxism« - so der Titel des kürzlichen Versöhnungsangebots zur Beilegung des Streits von Anderson an Thompson? Ich denke, nein. Sie ist eine spezifische Form der Ausfechtung dessen, was hierzulande unter dem Generalthema der Krise des Marxismus verhandelt wird, und ihr lehrreicher Vorteil ist, daß sie nicht nur im abstrakten Theorienstreit und im Austausch politischer Standpunkte, sondern im Kontext materialer Geschichtsschreibung und empirischer Forschung ausgetragen wird. Die folgenden Thesen1 versuchen, nach kurzer Vorstellung der Kontroverse im Kontext der Krise des Marxismus (I) dem Zusammenhang von Geschichte und Marxismus in dieser Auseinandersetzung zunächst an der unterschiedlichen Konzeption einer marxistischen Historiographie (II), dann an der unterschiedlichen Interpretation des Marxismus (III) und schließlich, in der Perspektive einer Lösung, dem Verhältnis von Struktur und Geschichte nachzugehen (IV).