Faschismus als gesellschaftliche Realität und als unrealistischer Kampfbegriff
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v3i8/9.1797Keywords:
Faschismus, Gesellschaftstheorie, Marxismus, KPO, WeltwirtschaftskriseAbstract
Dieser Versuch, wichtige neuere Publikationen zur Analyse des Nationalsozialismus zu erörtern und einige Konsequenzen für die aktuelle marxistische Diskussion über den historischen Faschismus darzustellen, wurde angeregt durch die ebenso schnell wachsende wie zunehmend unreflektierte Bedeutung, die der Begriff des Faschismus in der politischen Diskussion der organisierten und unorganisierten Linken in jüngster Zeit gewonnen hat.
Der folgende Aufsatz versucht deshalb zweierlei: Zum einen soll gezeigt werden, daß es für die marxistische Faschismus-Analyse immer noch äußerst lohnend ist, solche zeitgenössischen Einschätzungen des deutschen Faschismus aufzuarbeiten, welche vor und nach 1933 im Rahmen der deutschen Arbeiterbewegung bzw. deren Widerstands-Zirkeln gezwungen und in der Lage waren, unmittelbare und konkrete Anschauung des Faschismus in theoretischer Analyse umzusetzen. Die Arbeiten der KPO und von A. Sohn-Rethel sind mit einer ersten rezensionsartigen Darstellung für die weitere Faschismus-Diskussion noch längst nicht ausgeschöpft; diese soll aber erweisen, daß Ansätze dieser Art sehr wohl geeignet sind, die marxistische Diskussion über den Faschismus auch auf ihrem aktuellen Niveau theoretischer Auseinandersetzung voranzubringen. Der Stand dieser Diskussion ist immer noch durch die empfindliche Lücke gekennzeichnet, die zwischen Theoriebildung ( oft lediglich auf der Ebene kategorialer Konstruktionen) und mosaikartiger empirischer Geschichtsforschung klafft. Dieser Mangel kennzeichnet auch in spezifischer Weise die Faschismus-Forschung in der DDR, die zwar, weil an den Quellen sitzend, in bemerkenswert hohem Maße empirisch gesättigt, in ebenso hohem Maße aber noch immer der Faschismus-Definition des VII. Weltkongresses verpflichtet ist. Dies hat zur Folge, daß die Entwicklung der Faschismus-Diskussion von Komintern und KPD vor 1935 mit all ihren verhängnisvollen Konsequenzen für den antifaschistischen Kampf der Arbeiterklasse noch nicht umfassend kritisch aufgearbeitet worden ist. Auch bleiben die empirischen Forschungsresultate merkwürdig folgenlos für die nach wie vor recht pedantische Begriffsdiskussion, die sich überwiegend mit der Vorstellung vom Faschismus als einer direkten Agentur des Monopolkapitals zufrieden gibt.