Differentielle Verarbeitungsformen von Arbeitslosigkeit
Anmerkungen zur aktuellen Diskussion in der Arbeitslosenforschung
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v13i53.1467Schlagworte:
Arbeitslosigkeit, Arbeitslosenforschung, ArmutAbstract
Verfolgt man die wissenschaftliche und öffentliche Diskussion zur Frage, was Arbeitslosigkeit heute für die Betroffenen bedeutet, so beobachtet man eine eigentümliche Diskrepanz. Während die Urteile in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren zwischen der Erinnerung an das Arbeitlosenelend in der Zeit der Weltwirtschaftskrise und der beruhigenden Versicherung schwankten, daß der Sozialstaat für die Arbeitslosen hinreichend sorge, besteht in den Sozialwissenschaften weitgehende Übereinstimmung, daß Arbeitslosigkeit ein Lebensereignis mit vielfältigen negativen Auswirkungen darstellt. Ist also in der Öffentlichkeit der Belastungscharakter von Arbeitslosigkeit selbst umstritten, so dominiert in der wissenschaftlichen Literatur die »Komposition eines einheitlichen, in sich geschlossenen und stimmigen Bildes der psychischen und sozialen Folgen von Arbeitslosigkeit« (Fröhlich, 1979, 5), obwohl ältere und neuere Studien eine solche Reduktion von Komplexität nicht durchgängig stützen.1 So fragte sich schon Bakke Ende der 30er Jahre angesichts des erhobenen Materials in Fallstudien von Arbeitslosenfamilien, ob es nicht fast unmöglich sei, »ein typisches Anpassungsmuster an Arbeitslosigkeit abzuleiten, das diesen Prozeß in allen Familien richtig beschreibt« (1969, 153). Und Brinkmann zieht aus einer neueren Repräsentativbefragung das Resümee: »Geprägt durch das gegebene System der sozialen Sicherung und wohl auch durch - gegenüber Zeiten hoher Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit - veränderten Werthaltungen ergibt sich bei den finanziellen und nichtfinanziellen Belastungen durch Arbeitslosigkeit insgesamt ein sehr differenziertes, wenn nicht gar auf den ersten Blick verwirrendes Bild.« (1976, 413) Vor diesem Hintergrund mag es notwendig erscheinen, spezifische Annahmen und Konzepte der Arbeitslosenforschung erneut zu reflektieren.