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Während der Abfassung dieser Zeilen wird in den Nachrichten bekanntgegeben, daß der »Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung« soeben ein Sondergutachten herausgegeben hat, in dessen Zentrum Vorschläge zum Abbau der Staatsverschuldung stehen. Die von der Bundesregierung für 1981 vorgesehene Neuverschuldung in Höhe von 69 Mrd. DM soll nach den Vorstellungen der Sachverständigen um 35 bis 40 Mrd. DM reduziert werden. Mit dem Argument, daß die fiskalpolitischen Maßnahmen des Staates die Gefahr steigender Budgetdefizite für die nächsten Jahre nach sich zögen und schon heute eine Vertrauenskrise mit unabsehbaren Folgen für die Währung
ausgelöst hätten, wird vom SVR ein rigides Austerity-Programm formuliert, das in seinen Ausmaßen selbst noch die einschneidenden Regelungen des Haushaltsstrukturgesetzes des Krisenjahres 1975 übertrifft. Die vorgeschlagene Reduktion der Sozialausgaben (Kürzungen der Sozialhilfe, der Ausbildungsförderung, des Wohngeldes, der Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung, des Arbeitslosengeldes usw.), die Aufhebung der bislang unbegrenzten Defizithaftung des Bundes gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, die Umschichtung der Steuereinnahmen hin zu einer Erhöhung der Verbrauchssteuern und die Kürzung der staatlichen Personalausgaben bedeuten politisch eine Kampfansage an die in erfolgreichen sozialen Kämpfen erreichten Errungenschaften der sozialen Sicherung und ökonomisch eine Forcierung der »bereinigenden Wirkungen der Krise«. Durch die restriktive und prozyklische Haushaltspolitik soll der zyklische Krisentrend verstärkt werden - und so vor allem die Gewerkschaften für ihre Verweigerung eines Lohnabschlusses in Höhe des Produktivitätszuwachses durch die beschleunigte Freisetzung von Arbeitskräften bestraft werden. Im Zentrum der Neustrukturierung der bürgerlichen Herrschaft steht also eine Veränderung des Verhältnisses von Staat und Gewerkschaften, mit der Tendenz, die etablierte korporativen Strukturen seitens des Staates aufzulösen. Die Desorganisation des Systems der industriellen Beziehungen wird dabei nicht nur zu einer weiteren Belastung des Verhältnisses von Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung führen, sondern auch die Notwendigkeit einer Veränderung der gewerkschaftlichen Politik offenlegen.
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