Soldatenphantasien
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v10i38.1609Keywords:
Soldaten, Krieg, Militarismus, Deutschland, NATOAbstract
Pünktlich zum 40. Jahrestag des faschistischen Einfalls in Polen fanden in der BRD Antikriegsveranstaltungen statt. Sie gelobten, das Geschehene nie zu vergessen und seine Wiederkehr nicht zuzulassen. Das Gelöbnis fand ausschließlich im Kreise überzeugter Antimilitaristen statt und drang kaum nach außen. In der Regel beschränkte es sich auf den beschwörenden allgemeinen Appell gegen Rüstung und Krieg. Eine Untersuchung der heute vorliegenden Militarisierung und Kriegsgefahren fand nicht statt. Wurden die ökonomischen und politischen Grundlagen des Mlitarismus wenigstens bisweilen allgemein erwähnt, so fiel ein Hinweis auf seine sozial-psychologischen Triebkräfte vollkommen aus - es sei denn, man nähme „Verhetzung" als einen solchen. Es war, als wollten sich die Antimilitaristen versichern, daß sie selbst gegen den Krieg sind und ansonsten von der Realität nicht allzuviel Kenntnis nehmen. Die Realität ist leider nicht die der von böswilligen Regierungen in den Rüstungswahnsinn gehetzten friedliebenden Massen; sie ist auch nicht die eines internationalen Zerstörungskartells der Supermächte. Die Realität ist gekennzeichnet von einer beständigen massenhaften Erzeugung von Kriegslust im normalen Fortgang der bürgerlichen Gesellschaft, die weltweit als Bedrohung sozialer und nationaler Befreiung auftritt, den Klassenkonflikt nicht obsolet macht, sondern im Gegenteil erst aufs ärgste zuspitzt. Einen Antimilitarismus, der dies nicht wahrnimmt, sondern weiter bloß in seiner Welt der Appelle haust, bezeichne ich als ohnmächtig.