Im Osten Nichts Neues? Der Leninismus in Bahros Konzept der Kulturrevolution
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v9i35.1641Schlagworte:
Leninismus, Kulturrevolution, Sowjetunion, Marx, BahroAbstract
Elemente leninistischen Denkens sind in Rudolf Bahros ,,Kritik des real existierenden Sozialismus" leicht auszumachen: Von beschränkten Möglichkeiten der unmittelbaren Produzenten, systemkritisches Bewußtsein auszubilden und von daraus folgenden führenden Aufgaben eines neuen Bundes der Kommunisten für eine kulturrevolutionäre Umwälzung ist die Rede. ln seinem „Sozialismus in keinem Land" überschriebenen Diskussionsbeitrag zur „Alternative" kennzeichnet Detlev Claussen Bahros Vorstellungen zur Organisation der Kulturrevolution, die sich an der Parteitheorie Lenins orientiert, als Denksperre, die Bahro jedoch nicht persönlich anzulasten sei, zumal diese Vorstellung mit seinen theoretischen Ansätzen in Widerspruch geraten müsse ( 1). Zudem sei diese Parteikonzeption dag einzige traditionelle Moment in Bahros Argumentation (2).
Es fehlt aber nicht an Diskussionsbeiträgen zu Bahros „Alternative", die sein Verhaftetsein in traditionellen Denkmustern anders bewerten: Unter dem Titel „Auflösung und Wiederkehr des Leninismus" behandelt Günter Maschke die neue marxistische Opposition in den sozialistischen Ländern des Ostblocks (3). Rudolf Bahro wird in diesem Artikel ausschließlich als Leninist wahrgenommen, als einer derjenigen oppositionellen Köpfe, die vorgeben, emanzipatorischen Bedürfnissen der Massen zum gesellschaftlichen Durchbruch verhelfen zu wollen, in Wirklichkeit aber den „Herrschaftsanspruch" einer neuen „intellektuellen Avantgarde" formulierten. Diktiert vom Haß auf den alten Parteiapparat, der jedoch nicht aus emanzipatorischen Interessen fließe, sondern in der Tatsache begründet liege, daß der „bestehende Apparat" auf diese Intellektuellen „verzichten" könne, würden die nVorschläge Bahros zur Organisation und Strategie der Kulturrevolution nur auf eine neue Diktatur hinauslaufen - auf eine Erziehungsdiktatur, die Maschke für die „beliebteste Diktatur wohlmeinend-ohnmächtiger Revolutionäre" hält. Sein Fazit: ,,Die von Bahro attackierte Inquisition wäre sofort wieder da." ( 4)