Bd. 31 Nr. 123 (2001): Marx, Keynes und der globalisierte Kapitalismus

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Die meisten Ökonomen, ebenso wie die meisten Politiker, glauben sowohl Marx als auch Keynes so gut zu kennen, dass eine Auseinandersetzung nicht mehr notwendig sei. Dabei wird aber im wesentlichen ein Schatz von Vorurteilen gepflegt: Marx gilt als Vertreter einer längst überholten und widerlegten Arbeitswerttheorie, die zur Analyse des modernen Kapitalismus unbrauchbar sei, Keynes wird auf eine Wirtschaftspolitik des „Deficit-Spending“ reduziert, von der man wisse, dass sie gescheitert ist. An derart verkürzten Auffassungen sind allerdings die historisch dominierenden Vertreter des „Marxismus“ wie des „Keynesianimus“ nicht unbeteiligt sind. Sowohl der traditionelle Marxismus der Arbeiterbewegung (der im „Marxismus- Leninismus“ seinen dogmatischsten Ausdruck fand) als auch die Vertreter der „keynesianischen“ Wirtschaftspolitik der 60er und 70er Jahre lieferten nur ein höchst verzerrtes Bild der theoretischen Ansätze von Marx und Keynes. Dass beide die herrschenden ökonomischen Theorien nicht nur in ihren Ergebnissen, sondern bereits in ihrer Grundlagen kritisierten, ging in den popularisierten Auffassungen weitgehend verloren: im traditionellen Marxismus erscheint Marx lediglich als der bessere Vertreter der klassischen politischen Ökonomie, der die Arbeitswerttheorie endlich zum Nachweis der Ausbeutung benutzt; und im Rahmen des sog. IS-LM Modells, das auch heute noch in den meisten Lehrbüchern als „der Keynesianismus“ gilt, schrumpft die Keynessche Theorie auf eine untergeordnete Ergänzung zum nach wie vor gültigen Grundmodell der Neoklassik zusammen.

Veröffentlicht: 2001-06-01