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Für die westeuropäische Linke war Lateinamerika jahrzehntelang ein wichtiger Bezugspunkt, zuweilen auch eine Projektionsfläche eigener Wünsche und Hoffnungen. Gab es dort doch nicht nur korrupte Oligarchien und brutale Militärdiktaturen, sondern auch den militanten Widerstand dagegen, der häufig eine breite Basis in der Bevölkerung hatte. Von der kubanischen Revolution und dem Mythos Che Guevara über die Stadtguerilla der Tupamaros in Uruguay und Allendes Versuch einer parlamentarischen Machtübernahme in Chile waren die lateinamerikanischen Verhältnisse vor allem in den späten 1960er und in den frühen 1970er Jahren ein strategischer Orientierungspunkt für die Debatten der westeuropäischen Linken. Auch das Scheitern jener Projekte bestimmte noch die Fragen, die hier gestellt wurden: Welche Schlüsse sollte man aus dem gewaltsamen Ende von Allendes Experiment ziehen, dass eine parlamentarische Orientierung von vornherein verfehlt war oder dass die gesellschaftliche Basis noch viel breiter werden müsse, damit die Linke die Regierung mit einigem Erfolg übernehmen könne? In den 1970er Jahren wurden die Hoffnungen auf eine schnelle Veränderung grundlegender gesellschaftlicher Verhältnisse dann aber sehr schnell enttäuscht. In vielen Ländern Lateinamerikas, vor allem in Chile und Argentinien sorgten blutige, von den USA gestützte Militärdiktaturen dafür, dass die Linke keine Chance mehr hatte. Und in Westeuropa zeigte sich, dass der Funke des Mai 68 eben doch nicht auf einen größeren Teil der Gesellschaft übersprang. Vom Sieg der sandinistischen Guerilla 1979 in Nicaragua ging dann zwar noch einmal eine starke Faszination aus, aber nicht mehr die Erwartung, dass dies der Auftakt für eine neue Serie weltweiter revolutionärer Entwicklungen sei. Statt solcher Erwartungen entwickelte sich eine Welle internationaler Solidarität. Viele Linke wollten sich am Aufbau in Nicaragua beteiligen und das Land gegen die Aggression der USA schützen, die unter Ronald Reagan schon bald einen unerklärten Krieg gegen das sandinistische Nicaragua führten.
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft |ISSN: 0342-8176 | Impressum und Datenschutz