Wie können Tunten Sozialisten sein?

Zur Kritik der Homosexuellenunterdrückung in der bürgerlichen Gesellschaft durch Graf/Steglitz

Autor/innen

  • Gerhard Hoffmann
  • Reinhard v. d. Marwitz
  • Dieter Runze

DOI:

https://doi.org/10.32387/prokla.v5i17/18.1749

Schlagworte:

Homosexualität, Sozialismus, Bürgerliche Gesellschaft

Abstract

An den Vorstellungen dessen, was eine „Tunte" ist, sind die anti-homosexuellen Vorurteile der „Hetero-" wie der „Homosexuellen" auf ihren Begriff gebracht. Die ,,Vorurteile und Unwissenheit" der „Kommunisten und Sozialisten in Deutschland" (es fehlen in dieser Aufzählung Demokraten und Christen) sind aber in dem Artikel von „Thorsten Grar' und „Mimi Steglitz" vermutlich kaum angegriffen worden (l). Das erstens aus noch anzugebenden Gründen, die das Verhältnis von Sein und Bewußtsein, insbesondere den „Ursprungsort" verkehrter Bewußtseinsformen, betreffen. In diesem Zusammenhang wäre die Frage nach der politischen Bestimmung des Verhältnisses homosexueller Emanzipationsgruppen zu den Organisationen der Lohnarbeiter, vor allem der Gewerkschaften, schon im Ansatz sehr viel präziser zu diskutieren gewesen. Zweitens aus dem Grund der pseudonymen Veröffentlichung. Deshalb kann übrigens der Artikel von der Redaktionskonferenz der PROKLA nicht diskutiert worden sein (la). Eine pseudonyme Veröffentlichung ist problematisch, wenn der Schutz des Pseudonyms verlangt wird, weil die Autoren in der PROKLA veröffentlichen. Die Verfasser fürchteten kein „eventuelles Berufsverbot für Schwule", sondern das „Berufsverbot für ,Radikale' im öffentlichen Dienst" (2). Wer sagt hier was? Die Verinnerlichung dieser Fremdeinschätzung von PROKLA-Autoren denunziert sie aufgrund einer Identifikation mit einem Aggressor, den sich die Autoren für sich vorstellen können, dem sie sich aber als Sozialisten nicht beugen dürften. Die politische Begründung des Pseudonyms hat etwas mit Homosexualität zu tun, weil das Problem der Entwicklung des Selbstbewußtseins von Homosexuellen doch gerade darin besteht, das Bewußtwerden homosexueller Wünsche von dem Muster der Identifikation solchen Verlangens mit einem Aggressor oder Agressionen zu  lösen, um so die Verselbständigung des isolierten Motivs der Homosexualität im Bewußtsein der Homosexuellen selber, ihre Borniertheit also, aufheben zu können. Das verdrängte homosexuelle Verlangen bedarf einer kontrollierenden Instanz, die über die Identifikation mit einem Aggressor die Aufrechterhaltung der Verdrängung garantiert.

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Veröffentlicht

1975-03-01

Zitationsvorschlag

Hoffmann, G., v. d. Marwitz, R., & Runze, D. (1975). Wie können Tunten Sozialisten sein? Zur Kritik der Homosexuellenunterdrückung in der bürgerlichen Gesellschaft durch Graf/Steglitz. PROKLA. Zeitschrift für Kritische Sozialwissenschaft, 5(17/18), 57–94. https://doi.org/10.32387/prokla.v5i17/18.1749

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