Bd. 32 Nr. 126 (2002): Wissen und Eigentum im digitalen Zeitalter

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In dem Maße, in dem sich der Kapitalismus in der Neuzeit als herrschende Produktionsweise durchsetzte, löste er die vielfältigen, in unterschiedliche soziale Kontexte eingebundenen Besitz- und Nutzungsverhältnisse in eindeutige private oder öffentliche Eigentumsverhältnisse auf. Dieser Prozess erfasste zunächst materielle Dinge, Boden sowie die individuelle Arbeitskraft. Der heute ganz selbstverständliche Eigentumsanspruch auf Gedanken, Ideen, Informationen aller Art, das Recht auf „geistiges Eigentum“, setzte sich jedoch erst relativ spät durch. Damit war der Kapitalverwertung einerseits ein neues Feld eröffnet, andererseits aber auch Schranken auferlegt, indem „Wissen“ keine frei verfügbare Ressource mehr darstellte. Die Institution des geistigen Eigentums, differenziert in verschiedene Rechtsinstrumente wie das Urheberrecht, das Patentwesen, den Markenschutz etc., gibt den Wissensproduzenten oder ihren Verwaltern das Mittel in die Hand, geistige Schöpfungen handel- und vermarktbar zu machen, wobei die exklusiven Eigentumstitel nur den zahlungsfähigen Individuen Zugang zum Wissen eröffnen, während die nicht-zahlungsfähigen in der Regel vom Zugang ausgeschlossen werden. Bereits bei Bildung und Ausbildung erweist sich dieser Ausschluss aber als dysfunktional für die kapitalistische Produktionsweise. Hier obliegt es dem Staat, die radikalen Ausschlussmechanismen des kapitalistischen Privateigentums zu kompensieren. Das staatliche Bildungssystem ist (oder eher: war) Mittel dieses Ansinnens. Der staatlich alimentierte Zugang der Menschen zu Wissen wird in historisch wechselndem Ausmaß für nötig gehalten – moralische Universalwerte („Bildung ist ein Menschenrecht“) spielen dabei eine allenfalls untergeordnete Rolle.

Veröffentlicht: 2002-03-01