Bd. 33 Nr. 131 (2003): Korruptes Empire

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In den letzten Jahren wurde Korruption zu einem von den Medien stark beachteten Thema. Auch in Deutschland musste man zur Kenntnis nehmen, dass Korruption nicht nur in fernen Ländern stattfindet, sondern auch hier zur Normalitat gehört. Inzwischen hat so gut wie jede Großstadt ihren Skandal um den Bau von Müllverbrennungs- oder Kläranlagen. Die Annahme von illegalen (weil anonymen) Parteispenden und dubiosen "Beraterverträgen", zinsgünstigen Krediten oder "Geschenken" durch die Herren Kohl, Scharping und Konsorten machten deutlich, dass die einst von Flick betriebene "Pflege der politischen Landschaft" wohl doch kein Einzelfall war. Korruption beschränkt sich allerdings längst nicht mehr auf den klassischen Fall der Bestechung eines Amtsträgers. Sie findet nicht nur an den Schnittstellen von privatwirtschaftlicher und öffentlicher Sphäre statt, sondern längst auch innerhalb kapitalistischer Marktökonomie. Der Absturz der New Economy machte Bilanzfälschungen großen Stils sichtbar: Ob bei Enron oder em.tv, Gewinne und Umsätze wurden durch ,,kreative" Buchführung aufgebläht, um Anleger und Kreditgeber systematisch zu täuschen. Korruptives Verhalten kennt aber auch die Old Economy: so werden z.B. die im Zuge der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone an den Vorstandsvorsitzenden von Mannesmann gezahlten Abfindungen inzwischen vor Gericht verhandelt. Dass Korruption allgegenwärtig ist, wird inzwischen kaum noch bestritten. Doch wird sie noch immer als ein vor allem individuelles Fehlverhalten aufgefasst. Immer noch gilt Korruption als eine bloße Abweichung vom normalen Verlauf kapitalistischer Geschäftigkeit. Der Kapitalismus "an sich", ob er nun aus neoliberaler Perspektive gefeiert oder aus marxistischer Sicht kritisiert wird, scheint mit Korruption erst einmal nichts zu tun zu haben...

Veröffentlicht: 2003-06-01