Umbau oder Abbau des Sozialstaats? - Überlegungen zur Restruktuierung des 'Welfare State' in der Krise
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v12i49.1502Schlagworte:
Sozialstaat, Krise, Arbeit, Welfare StateAbstract
Noch bis zur zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurde der Sozialstaat in den entwickelten kapitalistischen Ländern ausgebaut, jedenfalls was sein quantitatives Wachstum, gemessen am Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt, anbelangt. Im Durchschnitt der EG-Länder stieg der Anteil der Sozialausgaben von 19,3 vH 1970 auf 24,3 vH 1975. Und dies war nur die Fortsetzung eines langandauernden Prozesses in der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Die jährliche Zuwachsrate der Sozialausgaben war während dieser Prosperitätsperiode zwischen einem Drittel und zwei Dritteln größer als die Wachstumsrate des Sozialprodukts. Tatsächlich sind die meisten Risiken des Arbeitslebens abgesichert worden: Krankheit, Alter, Tod, Invalidität, körperliche und geistige Gebrechen, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Arbeitslosigkeit, Familienlasten, sogar politische Ereignisse und Naturkatastrophen. Die Form der Absicherung war entweder diejenige der staatlichen Fürsorge bzw. Versorgung oder die der Versicherung. Einige weitere Bedürfnisse sind inzwischen in die Liste der staatlich abgesicherten »Risiken oder Bedürfnisse« aufgenommen worden, wie die Berufsausbildung der Erwachsenen oder das Wohnungswesen (Sozialkonten der EG 1977, S. 17). Das Grundprinzip der Entwicklung ist also eindeutig: Die Sicherung von vielen Bereichen des individuellen Lebens erfolgt nicht mehr marktvermittelt, sondern als staatlich regulierte und meist auch finanzierte Veranstaltung.