Zur Ideologiekritik der lateinamerikanischen Theorien der Unterentwicklung
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v4i14/15.1763Schlagworte:
Ideologiekritik, Lateinamerika, Entwicklungstheorien, UnterentwicklungAbstract
Die wissenschaftliche Diskussion um die Ursachen der Unterentwicklung der Länder der Dritten Welt und der Peripherie Europas ist Anfang der 70er Jahre in ein neues Stadium getreten. Der forcierte Kapitalakkumulationsprozeß in Brasilien, Mexiko, Iran und den Exportökonomien Südostasiens rückte schlagartig die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen kapitalistischer Industrialisierung in der Dritten Welt in den Mittelpunkt der empirischen und theoretischen Arbeiten der verschiedenen ,Schulen' der Theorie der Unterentwicklung. Während die Vertreter der nordamerikanischen Modernisierungstheorien die hohen Wachstumsraten der Industrieproduktion in zentralen Peripherieländern wie Brasilien als Bestätigung ihrer gradualistischen Entwicklungskonzeption (Unterentwicklung als gradueller Entwicklungsrückstand wird durch massiven Kapital- und Technologiezufluß aufgehoben) interpretieren konnten (Baer 1973, Chenery 1972) (2) und die Vertreter der strukturalistischen Schule der Nationalökonomie in Lateinamerika (UNO-Wirtschaftskommission für Lateinamerika ECLA, Furtado, Pinto) rapide Industrialisierung ohne Strukturreformen (Agrarreform, Einkommensumverteilung) als Widerlegung ihres Unterkonsumtionsansatzes hinnehmen mußten (CEPAL/ECLA 1969, Furtado 1969, 1972), geriet die lateinamerikanische Theorie der strukturellen Abhängigkeit in ihre strukturelle Krise.