Bd. 22 Nr. 88 (1992): Chaos, Selbstorganisation und Gesellschaft

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»Chaostheorie«, »Selbstorganisation«, »autopoietische Systeme« sind heute in aller Munde. Wer kennt nicht die wunderbaren Farbgraphiken der fraktalen Geometrie? Sowohl die Spalten des Feuilleton als auch Redner auf wissenschaftlichen Kongressen verkünden ein neues wissenschaftliches Zeitalter. Nicht nur sei die Epoche der Spezialdisziplinen durch neue transdisziplinäre Wissenschaften abgelöst worden. Davon war schon vor über 30 Jahren in Zusammenhang mit der - heute schon fast vergessenen - Kybernetik die Rede, die damals den Markt für populärwissenschaftliche Literatur beherrschte. Heute geht es um mehr: die gesamte Logik der wissenschaftlichen Theoriebildung soll umgekrempelt werden: die Wirklichkeit soll nicht durch deterministische Systeme, deren Verhalten prognostizierbar ist, sondern mittels Chaos- und Katastrophentheorie erfaßt werden. Statt planbarer Abläufe sind Bifurkationen und Autopoiesis angesagt. Und sofern diese Strukturen in Natur und Gesellschaft gleichermaßen nachweisbar seien, scheint die Trennung von Natur- und Sozialwissenschaften endgültig aufgehoben zu sein.

Veröffentlicht: 1992-07-01