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Auf den ersten Blick scheinen sich die Diskurse zu ähneln: Um die Wende zum 20. Jh. wurde die „Anarchie des Marktes“ für die heftig wütenden ökonomischen Krisen der Vergangenheit verantwortlich gemacht. Sie verunsicherten mit sozialstaatlich nicht abgesicherter Arbeitslosigkeit und daraus resultierendem Massenelend, Firmenzusammenbrüchen und sozialen Unruhen die kapitalistischen Industriegesellschaften. Von der „Organisation des Kapitalismus“, von der Einführung regulierender Elemente in die Marktwirtschaft gegen die ungezügelte Konkurrenz haben sich sogar liberale Wirtschaftstheoretiker wie Naumann und erst recht Sozialdemokraten wie Hilferding und andere „Austromarxisten“, später auch Kommunisten eine Verhinderung der Krisen oder zumindest eine Linderung ihrer schlimmsten Auswirkungen versprochen. Bis zur großen Depression der frühen dreißiger Jahre war diese Sichtweise weit verbreitet: Die regulierende Organisation des Kapitalismus könne dazu beitragen, Krisen zu vermeiden. Weil man diese einfache Lehre in den „roaring twenties“ nicht befolgt habe, sei es zu der großen Weltwirtschaftskrise nach dem Schwarzen Freitag vom Oktober 1929 gekommen. So nahezu einvernehmlich die Krisentheoretiker der 20er und 30er Jahre. Hundert Jahre später, am nächsten „fin de siècle“ sind wir Zeugen eines durchaus vergleichbaren Diskurses: Man müsse das entfesselte, weil fast vollständig deregulierte globale Finanzsystem bändigen, um drohenden Finanzkrisen vorzubeugen und, wenn sie denn eingetreten seien, politische Lösungspakete gegen ihre Konsequenzen zu schnüren. Die anarchischen Märkte sollen wieder organisiert werden – wie hundert Jahre zuvor, nur die Sprache hat sich geändert. Heute heißt die Organisation des Kapitalismus: Re-Regulierung des globalen Finanzsystems.
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft |ISSN: 0342-8176 | Impressum und Datenschutz