Bd. 37 Nr. 147 (2007): Internationalisierung des Staates

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Die Krise der 1970er Jahre, die einen Strukturbruch in der ökonomischen Entwicklung der Nachkriegszeit markierte, war nicht nur eine Krise der Kapitalverwertung und der gesellschaftlichen Naturverhältnisse, sondern auch eine der politischen Herrschaft. Die neokonservativ- neoliberale Antwort war das Bemühen, die Ansprüche an die politische und demokratische Kontrollierbarkeit der gesellschaftlichen Entwicklung zu senken und die Regierungsfähigkeit für die herrschenden Gruppen der Gesellschaft wieder herz ustellen. Im Zuge d ieses Proz esses, der die Form der Globalisierung angenommen hat, kam es, wie von vielen Seiten beobachtet wurde, zu einer neuen Architektur politischer Herrschaft. Die in der PROKLA vielfach analysierten ökonomischen, technologischen und ökologischen Prozesse veränderten auch die Stellung des kapitalistischen Staates im Verhältnis zu den kapitalistischen Produktionsverhältnissen. Es handelt sich nicht mehr, wie in den 1970er Jahren, um die Frage nach dem Verhältnis von Weltmarkt, Nationalstaat des kapitalistischen Zentrums und Imperalismus. Die kapitalistische Akkumulation vollzieht sich nicht mehr in nationalstaatlich getrennten und geschlossenen Räumen. Sie nimmt aufgrund der Schaffung eines globalen Finanzmarktes, zunehmenden ausländischen Direktinvestitionen und der fortschreitenden Transnationalisierung der Unternehmen und ihrer Produktionsketten sowie eines globalen Zugriffs auf die Arbeitskraft einen deterritorialisierten Charakter an. Ökonomische, politische und kulturelle Räume gliedern sich neu. Die historisch bezweifelbare Annahme, die Souveränität des Nationalstaats ermächtige diesen, seine Politik nach innen und außen zu verfolgen und durchzusetzen, erweist sich als wenig haltbar. Es waren wenige mächtige, imperialistische Staaten, die die ökonomische, politische, militärische und kulturelle Kapazität hatten, ihre Interessen nach innen und außen zur Geltung zu bringen. Angesichts einer neuen Formierung des globalen Raums kapitalistischer Ökonomie und Politik, angesichts intensiver ökonomischer, politischer, kulturell-kommunikativer und ökologischer Verflechtungen und Interdependenzen, die keineswegs gleichförmig sind, sondern neue Asymmetrien und imperiale Formen von Vorherrschaft und Abhängigkeit erzeugen, stellt sich seit einigen Jahren die Frage, ob es solche starken Nationalstaaten noch gibt, welche Handlungsmöglichkeiten staatliche Akteure haben, ob sie zunehmen oder sich schwächen.

Veröffentlicht: 2007-06-01