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Die bundesdeutsche Politik der letzten fünf Jahre bietet eine seltsame Ironie. Wurde in den 80er Jahren das Projekt eines sozialen und ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft allein schon aus finanziellen Gründen von den Regierenden als illusionär abgetan, so mobilisiert dieselbe Regierung für die Übertragung der kapitalistischen Marktordnung auf Ostdeutschland heutzutage Beträge, von denen die linken und grünen Reformpolitiker damals nicht einmal zu träumen wagten. Nach fünf Jahren desaströser Vereinigungspolitik mag man sich darüber streiten, wessen Vorstellungen illusionärer waren. Die Bonner Visionäre richteten ihren Blick zunächst auf eine verklärte westdeutsche Nachkriegsgeschichte. Nach dem Modell von Währungsreform und Wirtschaftswunder wollte man auch im Osten die Marktkräfte »entfesseln«. Die politischen Entscheidungsträger hofften, sich nach Durchsetzung der richtigen Grundentscheidungen auf einen »ordnungspolitischen Rahmen« zurückziehen zu können. Die Sanierung der Volkswirtschaft und die Angleichung der Lebensverhältnisse sollte sich durch Veräußerung des ehemals »volkseigenen« Vermögens selbst finanzieren. Der zunächst überwiegend kreditfinanzierte »Fonds Deutsche Einheit« und die einheitsbedingt steigende Staatsverschuldung sollten sich durch erwartete Steuermehreinnahmen innerhalb weniger Jahre konsolidieren. Das Ausmaß der Verschuldung und die zukünftig anfallenden Kosten wurden freilich vorsichtshalber hinter einer Vielzahl kaum noch durchschaubarer Sonderhaushalte versteckt - was bei einer Aktiengesellschaft den V erdacht des Bilanzbetrugs nahegelegt hätte.
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft |ISSN: 0342-8176 | Impressum und Datenschutz