Editorial: Ökonomie des Konsums
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v35i138.42Schlagworte:
Konsum, Politische Ökonomie, ÖkonomieAbstract
"... durch den Luxus finden Millionen Armer sich erhalten. Auch durch den Stolz, den alle schalten. Nicht minder dient der Neid sowie die Eitelkeit der Industrie. Die Sucht, sich als modern in Speisen, in Kleid und Möbeln zu erweisen, stets ein Objekt des Spottes zwar, des Handels wahre Triebkraft war. ..."
so schrieb Bernard Mandeville 1705 in seiner Bienenfabel und führte damit vor genau 300 Jahren eine Argumentationsfigur ein, die den Konsum der Wohlhabenden in ein damals gänzlich neues Licht tauchte. Tatsächlich erfolgten im Lauf des 18. Jahrhunderts Veränderungen im Alltagsleben, die Historiker bereits für diese Periode in England von einer „Konsumrevolution“ sprechen lassen. Anzeichen dafür gab es im zunehmenden Verbrauch von Tee, dessen Import um das 200fache stieg und und die nationale Sitte der teatime begründete, oder im Erfolg des Manufaktur-Unternehmers Josiah Wedgwood, der die besseren Kreise mit feinem weißen Porzellan und vielfältigsten Mustern versorgte. Wie Neil McKendrick festgestellt hat, wurden aus früheren „Luxuswaren“ nunmehr „Annehmlichkeiten“ und aus diesen bald „Notwendigkeiten“. Bis dahin hatten soziale oder religiöse Normen für die einzelnen Stände geregelt, was ihnen an Unentbehrlichem oder an Überflüssigem zustand. Nur für die oberste Schicht der Gesellschaft galten Prunk und Verschwendung als angemessen. Die Standesunterschiede sollten sich in der Lebensführung abbilden und die mittleren und niedrigeren Schichten vor den Versuchungen einer leichtsinnigen Lebensführung bewahrt werden: indem man vorschrieb, wer Samt und Seide oder Schnabelschuhe tragen durfte oder aber wie viele Gäste höchstens bei einer Hochzeit einzuladen waren. Zwar dehnten sich kapitalistische Lohnarbeit und Geldwirtschaft aus, doch musste die große Masse der Bevölkerung genügsam bleiben. Viele puritanische Unternehmer begrenzten nicht nur die Kaufkraft ihrer Arbeiter durch niedrige Löhne, sondern hingen auch selbst den Idealen der Sparsamkeit und der Askese an. Ihre Gewinne investierten sie eher ins eigene Geschäft als sie für Luxus und Tand auszugeben. Theateraufführungen erschienen ihnen als frivole Vergnügungen, kostbare Kleidungsstücke als Zeichen verwerflicher Eitelkeit. Der Autor der Bienenfabel wurde von seinen Zeitgenossen daher heftig getadelt, er würde zur „Lasterhaftigkeit“ ermutigen, wogegen er sich verwahrte. Er wolle lediglich beweisen, dass die immer neuen Bedürfnisse der Reichen Gewerbe und Handel belebten: „Private Vices, Publick Benefits“.