Die innerwissenschaftliche Feinderklärung
Zu Kurt Sontheimers Polemik gegen „unsere Intellektuellen"
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v6i23.1728Schlagworte:
Intellektuelle, Sontheimer, Wissenschaft, Linke, BRDAbstract
Kurt Sontheimer, Professor für Politische Wissenschaft an der Universität München und nach eigenem Verständnis „ein eher linker Liberaler" (S. 11) hat ein Buch geschrieben, in dem er sich mit der Entwicklung linker, insbesondere marxistischer Theorie in der Bundesrepublik befaßt. Wenn wir in dieser „Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik" darauf eingehen, dann nicht deshalb, weil Sontheimer einen wissenschaftlichen Beitrag zur theoretischen Diskussion über die Gesellschaft der Bundesrepublik geleistet hätte, sondern weil er im Gegenteil einen Beitrag zur politischen Unterdrückung dieser Diskussion liefert. Das Buch ist vom Verlag mit einer Startauflage von 20 000 auf den Markt gebracht worden; Sontheimer hat seit einem halben Jahr Vorabdrucke in der „FAZ", der „Süddeutschen Zeitung", der „Zeit" und der Beilage zu „Das Parlament" veröffentlicht; nach Erscheinen wurde Sontheimers Werk in' allen großen Presseorganen der BRD rezensiert, z.B. im „Spiegel" (Nr. 16/1976) gleich zweimal auf insgesamt 10 Spalten. Die auf ein breites Publikum zielende Werbung des Verlages entspricht Sontheimers wissenschaftspolitischer Intention: Er möchte „ein Stück notwendiger intellektueller und politischer Aufklärung leisten" (S. 15, Hervorh. Sontheimer), und diese „Aufklärung" wendet sich an alle, die sich „im Magnetfeld linker Theorie" (S. 181) befinden oder bei denen auch nur „die notwendige Überzeugung von der Legitimität und Sinnhaftigkeit ihres Tuns dem nagenden Zweifel" (S. 268) der „linken Theorie" ausgeliefert ist. Bevor solche von der linken Bedrohung Gefährdeten überhaupt anfällig und am Ende gar verunsichert werden können, empfiehlt ihnen Sontheimer, erstmal Sontheimer zu lesen: ,,Um zu wissen, worauf wir uns einlassen, wenn wir in den Kategorien linker Theorie zu denken beginnen und unser Handeln danach ausrichten, müssen wir möglichst das Ganze dieser geistigen Bewegung kennenlernen und es in seinen wesentlichen Inhalten und Denkfiguren vor Augen haben." (S. 12 f.) Sontheimer also als vorbeugende Impfung gegen den Bazillus der linken Theorie.