Bürokratische Rationalität und gesellschaftliche Synthesis in der Konstitutionsphase des sowjetischen Systems ( 1)
DOI:
https://doi.org/10.32387/prokla.v9i35.1640Schlagworte:
Sowjetunion, Rationalität, BürokratieAbstract
Die Frage nach historischer Notwendigkeit und Formationscharakter dar sowjetischen Gesellschaft hat durch die politische Entwicklung im letzten Jahrzehnt zunehmende Bedeutung gewonnen: ökonomische Krise und Legitimationsdefizit der kapitalistischen Gesellschaften machen eine alternative sozialistische Perspektive zur politischen Notwendigkeit, wobei das „sowjetische Modell", so wenig es als eine
Antwort für zentrale Themen der antikapitalistischen Bewegung (wie Charakter der Arbeit; umfassende gesellschaftliche Emanzipation und Selbstbestimmung; Neubestimmung der Naturaneignung etc.) darstellt, doch immer zu einer - über bloß abgrenzende Willensbekundung hinausgehenden - tiefergehenden historischen Positionsbestimmung herausfordert. Zugleich kristallisiert sich in den Ländern des „Rats
für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW), vor allem seit dem Aufbruch in der CSSR 1968, eine sozialistische Opposition heraus, die lebendiger Beweis dafür ist, daß deren politisch-gesellschaftliche Strukturen an die Grenzen ihrer Integrationsfähigkeit stoßen, daß auch dort Alternativen gesellschaftlicher Entwicklung zur - wenngleich noch durch Repression niedergehaltenen - Möglichkeit heranwachsen. Umgekehrt aber haben sich einzelne „unterentwickelte" Länder, in denen ein weitgehend selbständiger revolutionärer Umbruch vollbracht wurde, wie etwa Kuba, Angola, Vietnam, vor allem politisch in eine Richtung entwickelt, die mit den sich herausbildenden Zielprojektionen der Linken in den kapitalistischen wie den „sozialistischen" Industrieländern wenig gemein hat. Soll der Internationalismus von gestern nicht zum moralischen Kater von heute werden, will die Linke historische Identität gewinnen, ohne ihre Vergangenheit zu verleugnen, will sich diese Linke um die Bedingungen der Realisierung ihres Projekts einer herrschaftsfreien Gesellschaft klar werden, so führt kein Weg daran 'Vorbei, die Gesellschaften „sowjetischen Typs" in ihr „Geschichtsbild" einzuordnen. eur Realisierung dieser Aufgabe soll mit den folgenden Überlegungen (für einen Teilaspekt der Gesamtproblematik) beigetragen werden.